Ja, es ist unglaublich, aber ich verwöhne euch schon wieder mit einem Betrag meiner glorreichen Ezählungen und Erfahrungen :) . Und bitte lasst euch nicht davon abschrecken, wenn ich ein bisschen mehr schreibe, ich will, dass ihr seht, was ich zu sagen habe. Haltet durch!
Ich war am 12.02 in Athen, weil ich einen Freiwilligen besucht habe. Und ja, ich war auch bei den Demonstrationen. So habe ich es erlebt:
Am frühen Abend versammelten sich die Menschen auf dem Syntagmaplatz vor dem Parlamentgebäude. Die Demonstration richtete sich gegen die Zustimmung der Bedingungen, unter denen mehr Geld von den anderen EU-Staaten fließen sollte. Für mich beeindruckend, Menschen allen Alters, aller Gruppen, gemeinsam gegen die Diktatur der Banken, die sich jetzt auf die ganze Bevölkerung Griechenlands auswirkt. Merkel, Sarkozy und wie sie alle heißen, auch nur Marionetten der Privatbanken, wollen Maßnahmen sehen. Kürzungen der Löhne, Renten, Heruntersetzen des Mindestlohns, der Sozialhilfe und der Löhne jüngerer Menschen. Eine Katastrophe für all die jenigen, die nichts für das konnten, was die korrupte Regierung ausgelöst hat. Die gleiche Regierung, die immer noch über die Köpfe der Menschen hinweg entscheidet, was genau mit diesen passieren sollen.
Denn warum wollen die "faulen Griechen", die doch bitte "arbeiten anstatt zu streiken"sollen, unsere so spendable Gabe nicht annehmen? Weil das Geld direkt wieder zu denen geht, die diese Krise verschuldet haben. Weil es diese Krise gibt, weil das ganze System in Europa nicht funktioniert. Nur die Privatbanken können Geld herstellen, dass heißt die Staaten müssen Kredite aufnehmen, unter sehr hohen Zinsen und so verschulden sie sich mehr und mehr. Sparen hilft da auch nicht. Und die Situation der Menschen verschlechtert sich immer mehr. Die jungen Menschen wachsen hier auf und wissen, dass sie keine Zukunft haben. Sie haben keine Chance, einen Job zu finden, wie würde sich das für euch anfühlen. Keine Zukunft, noch nicht mal etwas zu essen- Grund genug um zu demonstrieren?
Die Atmosphäre war gespannt, aber nicht aggressiv. Wir waren relativ weit hinten, deswegen habe ich nicht gesehen, was genau passiert ist, aber plötzlich hat es geknallt. Tränengas. Und zwar nicht nur ein oder zwei Mal, genau gesagt, genug um Angst auszulösen. Und auch wenn die meisten Menschen schon mit Gasmasken gekommen waren, konnten diese bei Weitem nicht alles abhalten. Deswegen strömten die Menschenmassen in die Straßen, weg von Syntagma. Und wir mitten drinne. Immer wieder hat es geknallt, immer mehr Tränengas. Ich habe mich wie ein Schaf gefühlt, dass zusammen getrieben wird. Und wenn die Menschen anfangen, Panik zu bekommen, ist das beängstigend. Es wurde teilweise so eng, dass sich die Menschen "langsam langsam" zugerufen haben, aber alle wollten nur so weit weg von dem Tränengas wie möglich. Und es hat nicht aufgehört, auch nicht als die Menschen den Polizisten bedeutet haben, dass es genug ist.
Alle haben plötzlich angefangen zu klatschen, "Bravo Polizei, gut gemacht, so beschützt man sein eigenes Volk". Aber die Menschen sind geblieben, und wir auch. Auch wenn der zentrale Platz jetzt unbegehbar war, dann eben in den Straßen.
Ich habe zum ersten Mal erlebt, was die Griechen mittlerweile nur zu gut kennen. Wie sich Tränengas anfühlt, wie ignorant die Polizei ist und wie brutal vorgegangen wird, um durchzusetzen, was die Menschen nicht wollen. Aber auch, dass die Menschen sich gegenseitig helfen, Flüssigkeit gegen Tränengas verteilen und Menschen wieder aufhelfen, die gestürzt sind.
Ich dachte am Anfang immer, was hier geschieht ist Unrecht. Wenigstens sehen die Menschen und Journalisten das, man wird wissen, dass die Polizei unfair handelt. Aber dann habe ich begriffen, dass das rein gar nichts ändert. Es wird sie nicht davon abhalten, niemand wird das. Und in der Zeitung steht, dass nur die bösen jugendlichen, vermummten Anarchisten etwas angezündet haben. Wo ist hier Europa, wo ist Gerechtigkeit? Nirgendwo, wenn sie Tränengas einsetzten dürfen, um die Menschen vom demonstrieren abzuhalten. Und das macht mich so wütend. Egal was passiert, egal wie viele Menschen demonstrieren und streiken, dass alles wird einfach ignoriert und als Demokratie verkauft.
Später an diesem Abend sind wir weiter nach vorne gegangen und Tränengasbehälter sind nahe explodiert. Es war so viel, dass ich schnell nichts mehr sehen konnte. Ich werde nie vergessen, wie wir Hand in Hand, um uns nicht zu verlieren, gerannt sind. Weg von Rauch und Polizei und vorbei and wütenden Menschen. Dann wurde verkündet (wurde uns erzählt), man hätte die Entscheidung auf morgen verschoben. Eine Lüge, um die Menschen dazu zu bewegen, nach Hause zu gehen. Und dann kamen sie mit ihren Motorrädern durch die Straßen. Mit mehr Tränengas und anderen explodierenden Sachen.
Da sind wir dann weiter weg gegangen. Wir sind in eine andere Straße eingebogen, hörten auf zu rennen. Unsere Schritte wurden langsamer und zögerlich ließen wir unsere Hände los. Es fühlte sich alles so unreal an. Wir nebeneinader herstolpernd, sich immer wieder umblickend, immer noch mit weißen Gesichtern (von der Flüssigkeit gegen Tränengas). Oranges Licht der Straßenlaternen und doch tatsächlich Leute, die in Restaurants saßen. Essend saßen sie da, erzählten mit einander wie immer, im Hintergrund das Krachen der Geschosse der Politzei. Als wäre nichts geschehen. Wir konnten das nicht begreifen. (Warscheinlich weil wir unsere Bankkonten nicht in der Schweiz haben). Ich fühlte mich herausgeschleudert aus meinem täglichen, normalen Leben. Das fühlte sich nicht so weit entfernt von Krieg an und wir sind nicht bis zum bitteren Schluss da geblieben. Auf dem Nachhauseweg hätte man denken können, nichts sei passiert, bis auf ein paar Menschen mit weißen Gesichtern in der Metro...
Danke dafür, dass ihr mir zugehört habt...