Eurocamp Blog

Blog-Beiträge aus dem Eurocamp und unserem Freiwilligendienst

Lange Nachricht aus Frankreich

Hallo ihr Lieben,

Ich habe mich ewig nicht gemeldet, aber das wird jetzt nachgeholt. Ich bin nun schon seit sechs Wochen in Frankreich und mir geht es echt super. Gleich zum Anfang wurde ich total nett von meinen Mitbewohnerinnen, der deutschsprechenden Belgierin Lisa und der Türkin Mehlika, mit der wir uns auf englisch verständigen, begrüßt. Mir wurde alles gezeigt und zahlreiche Tips gegeben, zum Beispiel wie und wo man am besten für eine Person einkauft, wie man ins Stadtzentrum kommt etc.

Zwei Etagen unter uns wohnen noch drei andere Freiwillige, die die Jungen-WG bilden. Wir Freiwilligen machen sehr viele Sachen zusammen, letztes Wochenende waren wir zum Beispiel in Brüssel und Antwerpen und haben somit Lisas Heimatland ein bisschen näher kennengelernt.

Bei der FRMJC, der Organisation bei der ich mit Lisa arbeite, haben wir auch schon einiges gemacht. Wir bereiten zum Beispiel einmal im Monat ein Café Travel&Talk vor, ein Café, dass offen ist für alle Leute aus Orléans, die Lust haben, Englisch zu sprechen. Ich bereite dazu mit Lisa Aktivitäten vor, um die Leute zu aktivieren und gleichzeitig ein europäisches Land zu präsentieren. Letzten Monat war das Ungarn und diesen Monat wird es die Türkei sein. Das macht ziemlichen Spaß, vor allem auch, da die Leute sehr interessiert sind und auch schon ein Niveau in der englischen Sprache haben. Der Großteil der Franzosen ist nämlich „nul“ in englisch, was die Bewerbungsbriefe für Freiwilligendienste, die ich korrigiere und eine andere Aktivität in der letzten Woche gezeigt haben. Lisa und ich, wir hatten die Aufgabe, für die Jugendbetreuer der Organisation einen Englischunterricht vorzubereiten. Wir spielten ein paar Sprachspiele zum „Warmwerden“ und danach sollten sich die Betreuer für uns präsentieren, einerseits zur Wiederholung für sie, andererseits aber auch für uns, um zu wissen, was ihre Aufgaben sind und wie sie englisch sprechen. Es war echt erschreckend, wie kindlich sich erwachsene Leute verhalten können. Sie machten sich übereinander lustig, wenn einer etwas auf englisch sagte, sprachen dauernd auf französisch dazwischen und bekamen beim Fruchtsalat teilweise nicht hin, für den Obstsalat eine Eigenschaft zu formulieren. Als wir am Ende die Evaluation durchführten, schrieben viele, dass sie diese Aktivitäten schon gemacht hätten und dass es jetzt langweilig sei, obwohl sie noch jedes Wort vom Blatt ablesen mussten. Außerdem erklärten sie uns, dass sie gern etwas Professionelleres machen würden, aber wenn sie schon bei den einfachsten Dingen Schwierigkeiten haben und nicht zuhören, frage ich mich, wie das „Professionellere“ aussehen soll. Naja, aber alles in allem war die Resonanz doch recht positiv, wir wissen nur nicht so genau, ob die Englischstunden wirklich viel bringen. Es ist eigentlich eher für die Gruppendynamik, denn wirklich was zu lernen in eineinhalb Stunden pro Monat ist ziemlich schwierig, wenn man auch noch Leute hat, die nicht sehr motiviert sind. Also, mal gucken, wie wir das nächstes Mal regeln, aber wir werden ihnen wahrscheinlich auf französisch erklären, warum wir das machen und dass wir keine Lust haben, so zu arbeiten.

Letzte Woche sollte ich auch zum ersten Mal mit Pauline, einer Betreuerin, in Fay-aux-Loges im Jugendzentrum arbeiten. Dorthin musste ich den Bus Ulys nehmen, der die Dörfer rund um Orléans abklappert. Schon an der Busstation fing die Ungewissheit an. Ich wusste nicht, wo man ein Ticket kaufen kann und musste eine Frau fragen. Als ich das Ticket hatte, hatte ich ebenfalls keine Ahnung, wo dieser Bus denn nun abfuhr, denn an der Busstation standen um die 10 Busse, also fragte ich eine andere Französin. Zum Glück bin ich schon einigermaßen dieser Sprache mächtig. Als ich dann endlich im Bus saß, hatte ich erstmal meine Ruhe, da ich wusste, dass ich nun eine Dreiviertelstunde unterwegs bin. Doch die 45 Minuten waren um und es war kein Fay-aux-Loges auf den Ortseingangsschildern zu sehen. Als wir dann endlich an einer Bushaltestelle anhielten und ich mir nun nicht mal mehr sicher war, wie sich die Bushaltestelle nennt, an der ich aussteigen wollte, fragte ich ein weiteres Mal, wo wir uns befinden. Endlich in Fay-aux-Loges angekommen, stieg ich an der ersten Haltestelle aus, in der Hoffnung, dass es nicht die zweite war, an der mich Pauline abholen wollte. Doch, welche Überraschung, weit und breit war keine Pauline zu sehen. Sofort dachte ich, es sei die falsche Bushaltestelle. Ich fragte ein weiteres Mal ein Mädchen, wo sich das Jugendzentrum befände, doch sie hatte keinen blassen Schimmer. Also beschloss ich, Pauline auf dem Handy anzurufen, die Nummer hatte ich mir glücklicherweise noch geben lassen und sogar daran gedacht, sie mitzunehmen. Tja, aber dieses Glück half mir auch nicht weiter, da die Betreuerin ihr Handy aushatte. Was nun? Mir blieb nichts weiter übrig, als meine Chefin anzurufen und ihr die Situation zu schildern. Da mein Handyakku kurz davor war, seinen Geist aufzugeben, erfuhr ich nicht mehr, was mit Pauline loswar, ich verstand nur noch, dass ich wieder nach Orléans fahren sollte, da Pauline an diesem Tag nicht im Zentrum war. Ich freute mich schon, einen freien Nachmittag zu haben, doch auch diese Freude währte nicht lange. Der nächste Bus fuhr erst 17:36 und es war kurz nach zwei. Also gut, so hatte ich also einen netten Nachmittag in einem Dorf zu verbringen. Ich beschloss, mir ein Schreibheft zu kaufen, um endlich mal ein bisschen Tagebuch zu schreiben. Ich ging in einen Presseladen, doch die nette Verkäuferin verklickerte mir gleich, dass sie kein Schreibwarenladen sei, sondern eben ein Presseladen. Also gut, ich ließ mir also den Weg zum Carrefour erklären, der zwar auf der anderen Seite des Dorfes war, aber ich hatte ja Zeit. Dort angekommen fand ich auch, was ich suchte und gleichzeitig kaufte ich mir noch ein Baguette, um mir die Zeit mit Essen und Schreiben zu vertreiben. Ich setzte mich auf eine Bank, am Ufer des Canal d'Orléans und schrieb ein bisschen in dieses Heft. Es war relativ kalt, obwohl die Sonne schien. Doch ich hatte keine Lust, mich zu den alten Opis in diese kleine verqualmte Bar zu setzen und so blieb ich draußen, wo auch irgendwie die Zeit verging. Dauernd kamen irgendwelche Leute vorbei und sprachen mich an, wahrscheinlich war das ein sehr ungewöhnliches Bild, wie ich da in diesem kleinen Ort mit Mütze und Wintermantel saß und in mein Heft schrieb. Irgendwann kam auch ein alter Mann, der mir gleich, wie ich das Gefühl hatte, seine ganze Lebensgeschichte auftischte. Er erzählte mir von seiner Schwester und seiner Tochter, einem gebrochenen Bein und der Jugend. So wirklich verstand ich nicht, was der zahnlose Opi mir da erzählte. Ich verzog nur ab und zu mal mein Gesicht, lächelte oder nickte, wenn es mir gerade passend schien.

Nach drei Stunden Warterei, Tagebuch schreiben und Brief an meine Jule anfangen zu schreiben, machte ich mich dann endlich auf den Weg zur Bushaltestelle. Halb durchgefroren und mein Ticket in der Hand stand ich da und warte auf den Bus, der aber nicht kam. Ich überprüfte nochmals die Zeittafel und musste erkennen, dass dieser mittwochs eine Stunde später fuhr. Also eine weitere Stunde an diesem netten Ort. Bis jetzt hatte ich die Sache mit Humor genommen, aber langsam begann es wirklich, mich zu nerven. Es war zu kalt, um weiterhin auf der Bank zu sitzen und so spazierte ich noch eine Stunde am Kanal hin und her. Karine hatte inzwischen noch einmal auf meinem fast toten Handy anrufen, aber sie hatte mich nicht erreicht. Als ich zurückrief, war eine Mitarbeiterin am Telefon, der ich noch schnell erklären konnte, dass mein Bus erst eine Stunde später fuhr. Allerdings hatte sie wohl verstanden, dass gar kein Bus mehr fuhr, sodass mich Karine mit dem Auto genau in dem Moment, als der Bus einfuhr, an der Bushaltestelle auflies. So war ich letztendlich eine Viertelstunde eher als geplant zu Hause und hatte, obwohl ich eigentlich nichts erlebt hatte, doch einiges durchgemacht. :)

Gestern war ich noch einmal in Fay-aux-Loges und es hat auch alles gut geklappt. Wir haben mit den Jugendlichen ein paar Gesellschaftsspiele gespielt und sie sonst machen lassen, was sie wollten, da es nur ein normaler Empfang war, aber es war ganz okay.

Ach übrigens, Pauline konnte nicht kommen, da die Tankstellen auf Grund der Streiks, die auch in den Raffinerien durchgeführt wurden, keinen Sprit mehr hatten.

Ach ja, die Streiks. Als ich einen Tag später am Place d'Arc, dem Einkaufszentrum war, war plötzlich das Gitter am Eingang heruntergelassen und die Leute konnten weder rein noch raus. Überall standen Sicherheitsbeamte und schienen sich nicht darum zu kümmern, dass wir eingeschlossen waren. Irgendwann kam einer von ihnen und sagte uns, wir sollten ihm folgen. Durch den Notausgang, in dem es dunkel war und stank, wurden wir nach draußen geschleust und ich befand mich auf der anderen Seite des Einkaufszentrums. Davor waren schon wieder Massen an Leuten, die anfingen, zu demonstrieren. Wahrscheinlich wurden die Gitter nach unten gelassen, da man Angst vor Randalierern hatte. Aber in Orléans brennen glücklicherweise, soweit ich weiß, noch nicht die Autos und jetzt, während der Ferien, gibt es auch keine großen Demonstrationen mehr in der Stadt. Aber die Bahn lässt immer noch einige Züge ausfallen, das ist langsam ziemlich ätzend, da ich immer, wenn ich Orléans verlassen will, Angst haben muss, nicht anzukommen beziehungsweise nicht zurückzukommen. Mal sehen, bis wann sich das noch zieht.

Letzte Woche war meine Schwester zu Besuch, was sehr schön war. Auch sie hatte ziemliche Probleme mit der Bahn, sodass sie in Paris mit zwei Stunden Verspätung eintraf und mit vier Stunden Verspätung nach Hause zurückkehrte. Ich hingegen hatte ziemliches Glück. Trotz der Streiks konnten wir jedoch, dank der funktionierenden Metro, einen wunderschönen Tag in Paris verbringen und danach noch drei nette weitere Tage in Orléans. An dem einen Tag, den ich mir freigenommen hatte, hatte ich auch endlich einmal Zeit, mir ein paar Dinge für mein Zimmer zu kaufen, sodass ich mich dort jetzt ein wenig wohliger fühle.

Gestern war ich gerade dabei, die günstigste Möglichkeit zu finden, um Weihnachten nach Hause zu fahren. Dieses Fest lasse ich mir dann doch nicht entgehen, wo ich letztes Wochenende schon die Silberhochzeit meiner Tante und meines Onkels verpasst habe. Das ist schon hart , auch wenn man selbst auch schöne Dinge erlebt.

Naja, bevor ich sentimental werde, beende ich jetzt lieber meinen schon ziemlich langen Bericht. Ich wünsche euch eine schöne Zeit und halte euch auf dem Laufenden.

Liebe Grüße

Lydia

Der kleine Grenzverkehr und Getto
Vom Reisen und Zu-Hause-Fühlen

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